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Presse über uns: Problematik Finanzierung der DLRG-Wasserrettung

Veröffentlicht: 30.05.2022
Autor: Susi Weber - Schwäbische Zeitung

Steigender Aufwand, aber viel zu wenig finanzielle Unterstützung: Der Frust bei der DLRG-Wasserrettung wächst.

Bericht der Schwäbischen Zeitung von 30.05.2022:

Der Frust wächst. Nicht nur bei Oliver Bolz, stellvertretender Einsatzleiter des DLRG-Bezirks Ravensburg, der für den gesamten Landkreis mit seinen 39 Städten und Gemeinden zuständig ist. Seit Jahren sei es dasselbe Spiel: Trotz der steigenden Anforderungen an Ausbildung, Ausrüstung oder Fahrzeuge und den damit verbundenen Ausgaben verschlechtere sich die Situation der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) stetig. Eine Folge der mangelhaften Zuschüsse und der praktisch nicht vorhandenen Unterhaltsfinanzierung sei, dass die ehrenamtlich Tätigen auch noch ihre Einsätze und teilweise die Ausstattung selbst finanzieren. „Mit der Motivation wird es immer schwieriger“, sagt Bolz.

Drei Fälle, null Cent
Das Auto eines Familienernährers wird an einem Weiher leer aufgefunden. Es gibt Hinweise auf einen Suizid. Der Sucheinsatz gemeinsam mit der Polizei endet nach mehreren Stunden. Mit keinem guten Ende, die Rettungskräfte können den Vermissten nur noch tot bergen. Von einem Passanten wird die Polizei über die Rettungsleitstelle informiert, dass sich ein Angler aufgrund eines herannahenden Gewitters in Bedrängnis befindet. Die herbeieilenden Rettungskräfte, einschließlich DLRG, ernten am vermeintlichen Rettungsort Kopfschütteln und Unverständnis.

Andernorts wird an einem Baggersee ein hochwertiges Mountainbike samt Handy und Schlüssel am Ufer entdeckt. Die Suche nach dem vermeintlich Vermissten beginnt und erstreckt sich über Stunden. Irgendwann ist die Identität der Person bekannt, wird sie zu Hause aufgesucht. In einer Notlage befindet sie sich nicht, hat einen Notfall aber eventuell absichtlich vorgetäuscht. Bolz: „Sie war psychisch auffällig und alkoholisiert.“ Und irgendwann war auch klar: „Da ist finanziell nichts zu holen.“ Es sind drei von jährlich rund 25 Einsätzen im Landkreis. Drei, für die die DLRG nicht einen Cent sieht und sehen wird.

Durchschnittliche Kosten von 3000 bis 5000 Euro
Voraussetzung, dass es, so ist es im Sozialgesetzbuch geregelt, von den Krankenkassen Gelder gibt, ist laut Bolz, dass Gerettete nach der Rettungsaktion vom Rettungsdienst in ein Krankenhaus transportiert werden. Naturgemäß kommt dies bei Ertrinkungsunfällen nur selten vor. Dann erhält der DLRG-Bezirk eine Pauschale von knapp 280 Euro – unabhängig davon, was der Einsatz tatsächlich kostete.

Wie hoch die Kosten wirklich sind, lässt sich laut Bolz pauschal nur schwer beziffern: „Das hängt davon ab, wie lange der Einsatz dauerte, wie viele Personen, Fahrzeuge und Boote im Einsatz waren, wie weit weg der Einsatzort ist und so weiter.“ Annehmen könne man aber durchaus durchschnittliche Kosten in Höhe von 3000 bis 5000 Euro. „Mehr als fünf Krankenhaus-Transporte und damit eine Pauschale für uns im Jahr gibt es bei uns nicht“, sagt Oliver Bolz.

Rechnung mit Hoffnung
Einen hat er vor drei Jahren in Altshausen erlebt, als zwei Personen ins Eis einbrachen sind, gerettet werden konnten und überlebten. In der Regel generiert der DLRG-Bezirk Ravensburg jährliche Einnahmen zwischen 500 und 1500 Euro aus Rettungsdiensteinsätzen, sagt Bolz. Darüber hinaus bleibt sie jährlich auf „mindestens 30.000 Euro“ sitzen. Auch deshalb, weil Kosten in den seltensten Fällen privat abgerechnet werden können.

Bolz: „Wir stellen Rechnungen in der Hoffnung, dass diese bezahlt werden können. Betrifft es Angehörige von Verstorbenen, ist das ein Stück weit auch pietätlos und endete auch schon mal beim Rechtsanwalt.“ In etwa einem Drittel aller Fälle werden die Rechnungen zurückgezogen: „Einfach, weil die Hinterbliebenen nicht in der Lage sind, diese zu begleichen.“

DLRG-Helfer finanzieren Wasserrettung selbst
Unterm Strich kommt somit jedes DLRG-Mitglied der elf Ortsgruppen im Landkreis indirekt für die Wasserrettung zur ehrenamtlichen Tätigkeit hinaus auch finanziell noch selbst auf. Etwa die Hälfte der Mitgliedsbeiträge fließt an den Bundes- und Landesverband sowie an den Bezirk. Letzterer finanziert dann aus seinem Budget die Wasserrettung. Hinzu kommt der beträchtliche Investitions-Antragsstau im Landesverband von mehreren Millionen Euro.

Bolz: „Wir haben uns 2021 zum ersten Mal seit 25 Jahren wieder eine einheitliche Einsatzkleidung leisten können, die den aktuellen Vorschriften entspricht. Davor sind viele privat und selbst dafür geradegestanden.“ Im Gegensatz zur Feuerwehr erhalten die DLRG-Helfer auch keine Aufwandsentschädigung, verlassen Mitglieder also gegebenenfalls den Arbeitsplatz auf eigene Kosten. Bolz: „Und dann kümmerst du dich am nächsten Feierabend um die Verwaltung, darum, dass die Organisation eventuell an die Erstattung seiner Aufwendungen kommt. Das ist insgesamt echt frustrierend.“

„Normales“ Vereinsleben durch Rettungswache
Bolz spricht auch in einem anderen Bereich von „enormen Herausforderungen, die noch nicht absehbar sind“. Die Nachwuchsgewinnung sei „extrem schwierig“. Die Ortsgruppe Vogt mit einst über 300 Mitgliedern habe sich nach der Hallenbadschließung 2008 aufgelöst. „Da können wir in Wangen noch froh sein, dass wir hier noch die Wasserrettung haben und unseren 200 Mitgliedern Perspektiven wie Bootfahren, Strömungsrettung, Tauchen oder anderes bieten können“, so Bolz weiter. Hoffnung setzt er auch in den noch in dieser Woche beginnenden Bau der Rettungswache am Wangener Freibad. Er gibt dem Verein DLRG endlich eine Heimat – und die Möglichkeit zu mehr Geselligkeit und „normalem“ Vereinsleben.

Das könnten mögliche Lösungsansätze sein
Um die desolate, finanzielle Situation des Wasserrettungsdienstes landesweit zu verbessern, laufen seit Jahren Gespräche zwischen den DLRG-Landesverbänden mit den entsprechenden Gremien der Landesregierung. Vieles deutet darauf hin, dass das Land die Kommunen mehr in die Verantwortung nehmen möchte. Bei der Unterhaltsfinanzierung gibt es laut Oliver Bolz außerhalb des Katastrophen- und Bevölkerungsschutzes „keinerlei Signale“, dass sich das Land aktiv einbringt, um eine Verbesserung zu erzielen: „Seit vielen Jahren können wir uns das Fahren mit unserem Fahrzeug nur leisten, weil uns eine Wangener Tankstelle Sprit spendet.“

Planbare, finanzielle Unterstützung
Aus Sicht der DLRG im Bezirk Ravensburg wäre eine jährliche, planbare, finanzielle Unterstützung unabdingbar, um zumindest die laufenden Kosten nicht weiter aus Eigenmitteln aufbringen zu müssen. Sollte die DLRG den Wasserrettungsdienst nicht mehr leisten können, fiele diese Aufgabe als Pflichtaufgabe dem Landkreis und in der Folge möglicherweise den Feuerwehren zu. In einem vor drei Jahren dem Kreistag zur Verfügung gestellten Papier war von Kosten in Höhe von 30.000 bis 40.000 für den gesamten Landkreis die Rede.

Im Gegenzug könnte die DLRG dann auch auf das Stellen einer Rechnung für sogenannte „Einsätze der allgemeinen Gefahrenabwehr“ verzichten. „Sollte eine landkreisweite Regelung nicht möglich sein, wäre eine mögliche Alternative, Einzelvereinbarungen zur Sicherstellung der Wasserrettung mit den Kommunen zu treffen, die dazu bereit sind“, heißt es in dem entsprechenden Schreiben an den Kreistag. Bislang blieb es laut Bolz allerdings bei einzelnen und oft projektbezogenen Unterstützungsleistungen von Landkreis und Kommunen.

Tuttlingen macht’s anders
Darüber hinaus landete ein Einsatzfall aus dem Jahre 2020 zur Klärung beim Regierungspräsidium Tübingen, bei dem sich die DLRG und eine Stadt aus dem Kreisgebiet über die Übernahme der Kosten in Höhe von 6200 Euro nicht einig sind. Bolz: „Damals sind an einem Badeweiher persönliche Dinge eines Badegastes liegengeblieben. Der Bademeister ging von einem Ertrinkungsunfall aus und alarmierte den Rettungsdienst.“

35 Einsatzkräfte der DLRG verrichteten – neben Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst –bis zu fünfeinhalb Stunden Einsatz, der damit endete, dass kein Vermisster – weder tot noch lebendig – gefunden werden konnte. Die Auslagen der DLRG wollte die Ortspolizeibehörde in der Folge nicht erstatten. Dass es auch anders geht, zeigt die Stadt Tuttlingen. Bolz: „Sie entschädigt die Helfer der DLRG entsprechend ihren eigenen Feuerwehrkräften – unabhängig vom Einsatzanlass bei allen ihren Einsätzen.“

(Quelle: Schwäbische Zeitung von 30.05.2022)

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